Pro Mühlenfeld e.V.

„…wie gut sich’s hier seyn läßt.“

Das vom Untergang bedrohte Mühlenfeld im Bremer Stadtteil Oberneuland

Eine Historische Betrachtung des Mühlenfeldes
von Herrn Dr. Hans Hermann Meyer, Bremen

Sein Name und seine Lage

Die freie Fläche Landes zwischen der Rockwinkeler Landstraße und der Oberneulander Mühle soll bekanntlich in naher Zukunft mit Wohnhäusern bebaut werden. In diesem Zusammenhang wird das Areal gewöhnlich „das Mühlenfeld“ genannt. In Wirklichkeit handelt es sich lediglich um das, was vom Mühlenfeld allein noch übrig geblieben ist, immerhin jedoch um dessen Herzstück.

Benannt nach der 1614 erbauten Bockwindmühle, die erst 1848 durch den heute noch stehenden Galerieholländer ersetzt wurde, erstreckte sich vormals das Mühlenfeld über einen viel größeren Teil der südlichen Rockwinkeler Gemarkung beiderseits der heutigen Mühlenfeldstraße, die als Kirchweg schon lange existierte, in deren voller Länge. Die jetzige Straße „Auf der Heide“, und das Holler Fleet bildeten die östliche bzw. nordöstliche, die Rockwinkeler Dorfstraße (heute in dieser Gegend: Rockwinkeler Landstraße) die südwestliche Grenze.

Das Mühlenfeld bestand im wesentlichen aus Ackerland. Mehrere die Besitzstreifen der Bauern schräg überquerende Fußwege durchschnitten es. Hinzu kamen als befahrbare Sandwege die heutige „Mühlenfeldstraße“ und der kürzere „Mühlenweg“. Selbst hatte das Mühlenfeld keinen nennenswerten Baumbestand, doch umgaben es malerische Eichengehölze.

Sein Ruhm

So mancher einst mit dem Gänsekiel geschriebene Brief und so manches über Generationen aufbewahrte, aber nur selten aufgeschlagene gedruckte Buch legen Zeugnis davon ab, wieviel das Mühlenfeld denen, die es kannten, bedeutete.

Schon der in ganz Deutschland bekannt gewordene Theologe und vielseitige Schriftsteller Johann Ludwig Ewald (1748-1822) preist in seinem 1799 veröffentlichten Werk „Fantasieen auf einer Reise durch Gegenden des Friedens“ unser Mühlenfeld mit den Worten:

„Was wär’s, wenn ich Euch ein reiches, wogendes Roggenfeld nennte, Euch zu beschreiben versuchte, wie es mit Bäumen in den mannigfaltigsten Gruppirungen eingeschlossen ist; wie die Windmühle am rechten Orte steht, und dem Ganzen ein eignes Leben giebt; wie der Weg dicht am Walde her einladet, still dahin zu wandeln, und ungestört nachzudenken über Dinge, die dem Menschen wichtig sind, und die man im Getümmel der Stadt so leicht aus den Augen verliert? Ihr würdet doch keinen Begriff davon haben, wie gut sich’s hier seyn läßt.“

Und Lotte Heilmann geb. Döhler schreibt im August 1815, als sie Sommergast in Oberneuland ist, an ihre Freundin Doris Focke geb. Olbers nach Pyrmont:

„Hier – in Oberneuland unter so lieben Menschen unter den herlichen [sic!] Eichen und unter dem ewigen Himmel! […] ich kann Dir nicht sagen wie wohl mir diese Ruhe mitten in einem vollthätigen Leben thut. […] – am offenen Fenster, vor mir das Mühlenfeld mit den fleißig gereihten Kornhocken; dahinter die dunkle Einfaßung von Eichbäumen im sanft verschwimmenden Abendroth und das alles so unendlich still und duftig.“

Mehrfach ist vom Mühlenfeld die Rede in den Briefen von Betty Gildemeister (1795-1841) an ihren fern von Bremen weilenden Gatten Fritz. 1825 hatte sie mit den Kindern eine Sommerwohnung bei „Kropp“ – wohl entweder auf dem heutigen Lür-Kropp-Hof oder dem daneben liegenden Anwesen mit der jetzigen Anschrift Rockwinkeler Landstraße 1 – bezogen. Am 25. Mai läßt sie sich folgendermaßen vernehmen:

„Einen freundlicheren Sitz kann man sich nicht leicht denken als der meine ist, lieber Fritz von dem aus ich Dir diese Zeilen schreibe. […] vor mir liegt, wenn ich den Blick aufschlage, das schöne Mühlenfeld, bekränzt mit herrlichen Eichen, in deren Gipfeln [sic!] es ietzt lustig hergeht und eine Menge von Sängern singen fröhlich ihr Morgenlied.“

1827 hatte Betty Gildemeister sich und ihren Kindern für den Sommer eine ihr besonders zusagende Wohnung gemietet, höchstwahrscheinlich in dem 1781 gebauten und heute noch stehenden Bauernhaus Rockwinkeler Heerstraße 13. Sie schreibt am 11. Juni des Jahres:

„Gestern genoßen wir […] den schönen stillen Sonntag und freuten uns unserer freundlichen Wohnung die doch sehr hübsch ist und in der es Dir gefallen würde. Der Sitz unter dem luftigen Zelte vor der Hausthüre ist sehr, sehr hübsch und der Blick auf das Mühlenfeld malerisch schön; […]“,

und am 21. August:

„Ich sitze hier unter dem Zelte vor der Hausthüre um Dir, mein Lieb, einen guten Morgen zu wünschen, das Mühlenfeld liegt im hellen Glanze der Morgen-Sonne vor mir und ich gäbe, ach wie viel! darum, könntest Du, lieber Fritz, ietzt an meiner Seite sitzen und den schönen Morgen mit mir genießen, […]“.

Noch Friedrich Nebelthau (1863-1947), Bevollmächtigter des Landes Bremen beim Reich von 1922 bis 1933, schreibt in seinen 1938 unter dem Titel „Aus meinem Leben“ erschienenen Erinnerungen von Besuchen, die er als Kind bei seiner Großmutter Thulesius in Oberneuland machte, nicht ohne hinzuzufügen:

„War ihr Ende auch nicht jedesmal gut, weil allzu reichlich und noch dazu heimlich genossenes unreifes Obst auch damals schon schlimme Folgen hatte, so liegt doch seitdem über dem Mühlenfeld für mich ein freundlicher Glanz, […]“

Seines Ruhmes Widerschein

Das Mühlenfeld ist der einzige Teil einer Gemarkung des Bremer Landgebiets, der bis 1826 in den Inseraten mit Mietangeboten für Sommerwohnungen in den Bremer Wöchentlichen Nachrichten eine Rolle spielt. Es wird in 34 der 143 sich auf Rockwinkel und Oberneuland beziehenden Mietangebote der Zeit bis 1822 ausdrücklich genannt. Achtmal geschieht dies sogar ohne die Angabe der Dorfschaft, zu der es gehörte. Das früheste dieser acht Mietangebote, aus dem Jahre 1812, lautet:

„Zu vermiethen.
[…]
In einem am Mühlenfelde gelegenen hübschen Hause 4 gute Zimmer nebst Speisekammer und Küche.“

Spätestens ab 1812 glaubten also Anbieter von Sommerwohnungen damit rechnen zu können, daß Bremer auch ohne nähere Angaben im Normalfall wußten, wo in der Umgebung ihrer Stadt sich das Mühlenfeld befand. Auf derselben Linie liegt es, wenn Betty Gildemeister, die ja mit Ihren Kindern sowohl 1825 als auch 1827 den Sommer am Mühlenfeld verbrachte, ihre von dort an den Gatten entsandten Briefe ab Juli 1827 nicht mehr von „Rockwinkel“ oder „Oberneuland“ datiert, sondern von „Mühlenfeld“ (ohne Artikel), so als wäre dies der Name einer Ortschaft. Es verwundert daher nicht, daß Johann Georg Walte seiner 1852 entstandenen Lithographie, welche den Blick auf die Windmühle wiedergibt, wie man ihn noch heute von der Rockwinkeler Landstraße aus hat, als Titel ebenfalls nur das Wort „Mühlenfeld“ zu geben brauchte.

„Am Mühlenfelde“ ist die weitaus häufigste Formulierung, in der das Mühlenfeld in den Mietangeboten vorkommt. Weitere sind „bey dem Mühlenfelde“, „nahe dem Mühlenfelde“, „an der besten Lage des Mühlenfeldes“, „in der Gegend des Mühlenfeldes“, „in der Nähe vom Mühlenfelde“, „nicht weit von dem Mühlenfelde“ u. ä. Nicht dagegen liest man „auf dem Mühlenfelde“. Inmitten des Mühlenfeldes standen in der Tat, wie die einschlägigen Karten ausweisen, nur wenige Häuser.

„Posten, Leupolds, Richter Meiers, wohnen alle am Mühlenfeld und viele andre Bekannte,“ jubelt am 10. Juni 1840 Helia Amalia von Post (1795 – 1877), Tochter des Obergerichtssecretars Simon Hermann von Post (1764 – 1813), in einem Brief nach New York. Selbst hatte sie sich zusammen mit ihrer Schwester Ilsabeta Henriette (1801 – 1847) für den Sommer am Mühlenfeld niedergelassen. „Richter Meiers“ bezeichnet die Familie von Senator Dr. jur. Diederich Meier (1787 – 1857), und „Leupolds“ bezieht sich auf den aus Niederschlesien stammenden Bremer Bürger und pietistischen Kaufmann Heinrich Leupold (1798 – 1865) und die Seinen. Seit 1834 war Leupold königlich sächsischer Konsul für Bremen. Man sieht: Männer und Frauen aus den führenden Kreisen Bremens gaben sich in der warmen Jahreszeit am Mühlenfeld ein Stelldichein.

Auch den nächsten Sommer, 1841, verbrachte die Familie Leupold wieder am Mühlenfeld. Dies geht aus einem Bericht des schlesischen evangelischen Geistlichen Otto Friedrich Wehrhan (1795 – 1866) hervor, der ein Jugendfreund von Heinrich Leupold war und ihn nun auf einer Reise durch Norddeutschland in Bremen besuchte. Wehrhahn schreibt in dem Buch, das er 1842 über die Reise erscheinen ließ, er habe Leupold in der Stadt ohne Frau und Kinder angetroffen und mit ihm vereinbart, am folgenden Tag, einem Sonntag, ihm und seiner ganzen Familie auf dem Lande Gesellschaft zu leisten. Nach dem Gottesdienst fuhr Wehrhan mit zwei Söhnen Leupolds – dieser war schon früh auf seinem Rappen hinausgeritten – nach Rockwinkel, genauer: zum Mühlenfeld, wo die Leupolds sich für den Sommer in einem „einsamgelegenen, von weitästigen Riesenpappeln übersäuselten Bauernhause“ einquartiert hatten. Vermutlich war es dasselbe Haus, das ihnen auch schon im Sommer zuvor zu einem ländlichen Heim gedient hatte.

Über einen weiteren Besuch bei der Leupoldschen Familie in deren Sommerwohnung besitzen wir eine beträchtlich kürzere und nicht minder anspruchslose Mitteilung als die Wehrhans, jedoch aus weit berühmterer Feder: derjenigen von Friedrich Engels. Der spätere Theoretiker des Sozialismus und enge Freund von Karl Marx absolvierte in den Jahren 1838-1841 in Bremen auf Wunsch seines Vaters eine kaufmännische Lehre, und zwar ausgerechnet in der Firma des Konsuls Heinrich Leupold. Am 18. September 1838 schreibt der 18jährige Engels an Freunde nach Barmen:

„Vorgestern war ich bei meinem Alten, id est principalis […] auf dem Lande, wo seine Familie wohnt, und [zu ergänzen: ich] viel Pläsir gehabt habe.“

Es ist kaum zu bezweifeln, daß 1838 genau wie 1840 und 1841 Leupolds am Mühlenfeld gemietet hatten, und reizvoll sich vorzustellen, wie der spätere weltbekannte Sozialist gerade dort sein „Pläsir“ hatte, aber letzte Sicherheit darüber läßt sich leider nicht gewinnen.

Vom Ruhm des Mühlenfeldes suchten nicht nur die dort und im unmittelbaren Umkreis wohnhaften Rockwinkeler Landleute zu profitieren. Vielmehr bemühten sich auch einige in der Gemarkung Oberneuland Ansässige, aus der Nähe ihrer Häuser zu diesem Arkadien im Westentaschenformat Nutzen zu ziehen. Peter Meyerdirks, der Besitzer einer kleinen Bauernstelle an der Oberneulander Landstraße (später Nr. 31), der 1839 mittels Zeitunganzeige Mieter für zwei Zimmer und drei Schlafkammern in seinem Hause suchte, versicherte: „[…]; die beiden Zimmer sind an der Oberneulander Straße belegen und man hat von da die Aussicht nach dem Mühlenfelde“. Diese Aussicht wurde freilich durch ein kleines Gehöft auf der gegenüberliegenden Straßenseite und durch ein Gehölz nicht wenig eingeengt. Dennoch machten von da an bis 1853 Peter Meyerdirks, seine Witwe und sein Nachfolger Heinrich Meyerdirks in Anzeigen immer wieder auf die „Aussicht nach dem Mühlenfelde“ aufmerksam.

Auch Eduard Marquardt, ein Mann, dessen Haus gleich neben der Oberneulander Kirche stand (später Oberneulander Landstraße 43), beschrieb 1853 in seinen Mietangeboten dessen Lage nicht etwa mittels Hinweises auf diesen Umstand, sondern mit den Worten „in der Nähe des Mühlenfeldes“ bzw. „in der Nähe am Mühlenfelde“. Den Vogel jedoch schoß in Sachen dieser Art von parasitärer Publizität ein gewisser Johann Schleper ab. Er war am Hodenberger Deich zu Hause (später Nr. 36), wo weit und breit vom Mühlenfeld nichts zu sehen war, machte aber 1844 den Lesern der Bremer Wöchentlichen Nachrichten unter „Zu vermiethen“ das folgende Angebot

„Eine Sommerwohnung nahe am Mühlenfelde, auf diesen Sommer, bei Johann Schleper daselbst.“

Wenn der Blick auf das Mühlenfeld beeinträchtigt war, gab es manchmal Ärger. So richtete am 23. Februar 1842 die Eigentümerin des Landguts, auf dem sich heute Haus „Hohenkamp“ befindet, einen Beschwerdebrief an den Landherrn des bremischen Gebiets am rechten Weserufer. Sie schrieb, ihr Meier Elard Bartels (heute Oberneulander Landstraße 24) erlaube sich, „ganz gegen meinen Willen“, auf seinem Lande ein Backhaus zu bauen, durch welches ihr die Aussicht auf das Mühlenfeld genommen werde. Der Beschwerde blieb übrigens der Erfolg versagt. Schon um 1804 war dagegen ganz in der Nähe sogar ein Bauernhaus abgerissen worden, weil es einem Oberneulander Landgutbesitzer die Sicht auf das Mühlenfeld versperrt hatte.

Sein großer Tag

An einem besonders milden und sonnigen Herbsttag im Oktober 1838 machte die Bremer Schriftstellerin Hedwig Hülle (1794-1861) mit ein paar Freunden einen Ausflug aufs Land. Ziel war das Mühlenfeld. In dem von ihr ein Jahr später herausgegebenen Buch „Bremisches Album“ schreibt die damals Vierundvierzigjährige:

„Nun ging es durch ganz Oberneuland nach dem Mühlenfelde; könnte eben so gut das reiche Kornfeld heißen, oder das Sängerfeld, weil die Sänger es am Gesangfeste weiheten durch eine herrliche Messe. Oder das Feld der Gastfreundschaft, weil freundliche Landhäuser daran liegen, deren Besitzer wirklich gastfrei sind. […] Als wir am Mühlenhügel standen, vergoldete die Sonne die höchsten Wipfel der Eichen noch einen Augenblick, dann wurde es dunkel. Wir kehrten um, da trat die Mondsichel hinter den Eichen bei I. Landgute hervor, damit dem schönen Schauspiele nichts fehle; und ein Stern nach dem andern blickte aus dem blauen Gewölbe hervor.“

Die Erwähnung des Mühlenhügels und des Ikenschen Landguts (“bei I. Landgute“) zeigt, daß Hedwig Hülle mit ihren Freunden an jenem Abend in den Anblick gerade des Herzstücks des Mühlenfeldes versunken war, um das es heute geht. Aber wie sind ihre Bemerkungen über das „Sängerfeld“ und das „Feld der Gastfreundschaft“ zu deuten? Sie spielen auf eine Begebenheit an, die damals ungefähr 2 ½ Jahre zurücklag und den Beteiligten sicher ein Leben lang in Erinnerung geblieben ist:

Nach dem Vorbild der von Friedrich Zelter 1809 gegründeten Berliner Liedertafel hatten sich auch in Bremen schon bald für den Chorgesang begeisterte Männer zu einer „Bremer Liedertafel“ zusammengeschlossen. Deren Mitglieder trugen maßgeblich dazu bei, daß 1831 ein Bund nordwestdeutscher Liedertafeln gegründet wurde, und dieser Bund feierte zu Pfingsten 1836 in Bremen ein großes Sängerfest. Einer von dessen Höhepunkten, wenn nicht der Höhepunkt, war das Singen auf dem Mühlenfeld am 22. Mai, dem Pfingstsonntag, bei strahlendem Frühlingswetter. Neben der Mühle nahmen etwa 150 Sänger Aufstellung: Mitglieder der Liedertafeln von Bremen, Oldenburg, Verden, Nienburg, Stolzenau, Minden, Herford, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Osnabrück und Bielefeld. Gemeinsam sangen sie vor einer Zuhörermenge, die auf 4000 Personen geschätzt wurde, die schwierige Missa pro defunctis von Häser. Dabei machte ihnen die große Hitze unter der brennenden Sonne einigermaßen zu schaffen. Sehr willkommen war daher die Einladung von Senator Justin Friedrich Wilhelm Iken, auf den geräumigen, von Bäumen beschatteten Rasenplatz vor dem Herrenhaus seines Landguts auszuweichen. Von dort aus wurden dann noch mehrere wohlausgeführte Gesänge der auf dem Mühlenfeld harrenden Menge zu Gehör gebracht. – Nie zuvor hatte sich hier auch nur entfernt Ähnliches abgespielt wie an diesem Tage.

Das Sängerfest hat offenbar den Anstoß dazu gegeben, in Bremen weitere Männergesangvereine zu gründen. Elf Jahre später gab es hier bereits deren zehn, die sich nun, 1847, zum „Bremer Sängerbund“ zusammenschlossen. Inzwischen war in Nord- und Mitteldeutschland eine ganze Reihe von regionalen Sängerbünden entstanden. Sie fanden Anschluß an die schon in den 1820er Jahren in Süddeutschland aufgekommene, sozial offenere Sängerbewegung, und 1845 begann in Würzburg die Tradition der gesamtdeutschen Sängerfeste. Keine andere Bewegung hat in den 1830er und 1840er Jahren so kontinuierlich und weiträumig für die Einigung Deutschlands gewirkt wie die der Sänger. Das uns noch verbliebene Herzstück des Mühlenfeldes ist also einmal Schauplatz eines Ereignisses gewesen, das im engsten Zusammenhang mit einem Geschehen von nationaler Bedeutung steht.

Sein Ende?

Folgendes stellt sich heraus:

Innerhalb des von den Bremern für Sommeraufenthalte ohnehin bevorzugten östlichen Hollerlandes gab es eine Gegend, die bei ihnen in ganz besonders hoher Gunst stand: das Mühlenfeld in der Gemarkung Rockwinkel. Der Name „Mühlenfeld“ erhielt so allmählich die Bedeutung eines Gütezeichens, von dem in Bremen auch ohne zusätzliche Nennung Rockwinkels oder Oberneulands allgemein bekannt war, was es bedeutete.

In so hoher Achtung stand das Mühlenfeld, daß sein Herzstück zum Ort einer der wichtigsten Veranstaltungen des folgenreichen nordwestdeutschen Sängerfestes von 1836 ausersehen wurde.

Dieses Herzstück des alten Mühlenfeldes, dessen uns einzig noch verbliebener Teil, soll nun durch Bebauung vernichtet werden! Ist das zu verantworten? Muß man, wenn schon der Bau eines neuen Wohnviertels in Oberneuland nicht zu umgehen ist, ausgerechnet ein so geschichtsträchtiges und zugleich landschaftlich so reizvolles Fleckchen Erde in der Mitte des Stadtteils dafür opfern? Es wäre nicht mehr als folgerichtig, wenn diejenigen, die diese Frage bejahen, auch die Bebauung des Bremer Marktplatzes in Erwägung zögen.

Dr. Hans Hermann Meyer